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Nina Hagen
Nina Hagen, die schillernde Legende zwischen Punk und Pop, zaubert mit ihrer Musik ein vielfältiges Spektakel, das mit 67 Jahren ihre künstlerische Radikalität und Produktivität zelebriert. Ihr Album ist ein wilder Trip durch Genres, voller politischer Statements und kraftvoller, vielschichtiger Musik.
Es gibt viel Ninas. So viele Versionen und Inkarnationen. So viele Bilder, Momente, Stimmen und Songs. So viele Gesichter mit aufgerissenem Mund. Gesichter aus mittlerweile fünf Jahrzehnten. Wie im Video zu ihrer neuen Single „16 Tons“. Nina Hagen ist eine Legende. Punk-Rock-Godmother, Aktivistin, Kunstfigur, Performance-Maschine, Jesusjüngerin, extraterrestrische Abgesandte, Brecht-Kennerin. Nina ist Anfang und Ende. Mauern einschlagen und neu anfangen. Weitermachen und nie still sein. Nina ist Viele. Und doch kann es sie nur einmal geben. The woman who fell to earth. Unkopierbar.
Nina Hagen, die schönste und schrillste Brandstifterin zwischen Punk und Pop, Ost und West und Outta Space, die Deutschland je hervorgebracht hat, ist endlich zurück. Am 9. Dezember 2022 erscheint ihr neues Album „UNITY“ auf Grönland Records. Es ist das erste seit „VOLKSBEAT“ von 2011. Die Zeit war also längst reif.
Die zwölf Songs auf „UNITY“ sind ein wilder Trip durch einen dicht gewebten musikalischen Dschungel, in dem es zirpt und surrt und zwitschert, Western Twang auf spacige Synthie-Flächen und Rock-Pop auf Dub und sexy Slow Funk. Manche Songs erzählen von biblischen Wundern, andere sind flammende politische Kampfreden, und wieder andere sind Cover: von einem Country-Klassiker, einem Sheryl-Crow-Hit, oder sogar von einem Bob-Dylan-Songmit deutschem Text („Die Antwort weiß ganz allein der Wind“, was man sich wirklich nur als eine der ganz großen Liederkünstlerinnen erlauben darf). Vielförmig ist das Spiel mit Texturen, Sample und Alltagsgeräuschen auf „UNITY“. Und inmitten dieses satten Sound- und Themen-Blattwerks ist da natürlich diese Stimme, die in einem Wimpernschlag von opernhaft zu dämonisch umschwenken kann, von wahnsinnigen Höhen in furchteinflößende Tiefen, als wolle sie die Geschlechter miteinander kurzschließen. Nina Hagen schreit und zischt, schmettert und sprechsingt, reibt und überschlägt sich in elektronischen Verzerrungen. Sie führt musikalische Zwiegespräche. Mit uns und mit sich selbst. Wie aus einer anderen Welt hallt ihre Stimme hinüber in unsere Gegenwart.
Kurzum: „UNITY“ ist ein grelles, warmherziges und vielfältiges Nina-Hagen-Spektakel. Mit 67 Jahren ist sie so produktiv wie eh und je.
Und weil sie nie Zeit drauf verschwendet hat, auf Nummer sicher zu gehen oder irgendjemandem einen sachten Einstieg zu bereiten, nimmt das Album gleich volle Fahrt auf: „Shadrack“ ist ein flimmernder halb-gesungen, halb-gerappter Power-Rockpop mit antreibenden Beat und einer Bibelgeschichte als Handlung, der mit der Zeile endet: „das war eine Gute-Nacht-Geschichte für’s Gemüte über Gottes Güte“ Nina Hagen, die seit 2009 dem evangelisch-reformierte Glaube anhängt, zitiert hier ein Pop-Spiritual des amerikanischen Komponisten Robert MacGimsey, das die Geschichte von drei hebräische Männer erzählt, die von Gott vor dem Feuertod bewahrt werden. Von den in Flammen Wandelnden geht es direkt weiter mit der feministischen Reggae-Punk-Solidaritäts-Hymne „United Women of World“, die gemeinsam mit der jamaikanische Sängerin Liz Mitchel und der New-Wave-Ikone Lene Lovich entstanden ist. Ein Song mit einer Message, die man vielleicht schon oft gehört hat, die man aber gar nicht oft genug wiederholen kann: „It’s all for one and one for all“.
Mit der ersten Single-Auskopplung „16 Tons“ hat sich Nina Hagen schweres Gewicht aufgeladen: „You load 16 tons, what do you get? / Another day older and deeper in debt”. Der Song ist ihre Version des alten, amerikanischen Folk-Klassikers über das von Knochenarbeit und existenzieller Bedrängnis geformte Leben der Bergarbeiter von Kentucky. Nina Hagen singt von diesem ausweglosen Alltag – „muscle and blood and skin and bones“ – mit ihrer gebieterisch tiefen und dunkel vibrierenden Stimme. Ein für das Jahr 2022 geupdateter Western-Twang, aufgenommen mit viel erratischen Hall, unbeirrt voranschreitenden Groove und wüstentrockenen E-Gitarren. „16 Tons“ holt die tonnenschwere, dreck- und rußverschmierte Bergarbeiter-Sozialkritik von 1947 hinüber ins Jahr 2022. Dieses Lied hat auf Nina Hagen gewartet, die seinen teilweise gespenstisch aktuellen Zeilen die Gravitas einer Jahrhundert-Echokammer verleiht.
"Unity“ ist eine Zusammenarbeit mit dem Funk-Visionär George Clinton: eine wunderbar leicht dahingleitende, kosmische funkelnde Dub-Nummer als Hommage an die Black Lives Matter Bewegung, die die beiden 2020 als direkte Reaktion auf den gewaltsamen Tod von George Floyd schrieben. Die Synthesizer-Melodien schaukeln wie sanfte Wellen zu stotternden Hi-Hats, während Nina und George im Refrain gegen den Hass ansingen: „Positive vibrations surround the world’s nations!“ Mit „Atomwaffensperrvertrag“ wird es dann auch ganz konkret politisch: Nina Hagen remixt hier gesampelte Ausschnitte zwei Reden (einer eigenen 2009 beim United Nation Friedensfestival vor dem Brandenburger Tor und einer UN-Rede des US-Politikers Dennis Kucinich) zu einer pulsierenden Tour de Force mit Country-Gitarren, Stimmengewirr und wilden Percussions.
Eines hat sich seit Beginn ihrer Karriere vor bald 40 Jahren nie verändert. Nina Hagen ist radikal. Sie probiert Neues aus. Spricht Dinge aus. Kennt keine Grenzen. Weder künstlerische noch weltanschauliche. Unterhaltung und ganz ernst gemeinte Botschaft gehen immer noch Hand in Hand.
Es gibt viele und doch gibt es nur eine: Nina Hagen.